Zeitungskongress: Gekonnter Umgang mit Bild und Text weckt Lese-Interesse

Ende April war Europas Presse zu Gast in Wien. Beim European Newspaper Congress wurden die besten Zeitungen gekürt (z. B. die griechische Zeitung „Eleftheros Tipos“) und neue Entwicklungen im Print-Design diskutiert.
Professor Michael Haller von der Universität Leipzig stellte am Kongress Untersuchungen zum Leserverhalten vor, die er mit Augenkameras gemacht hat. Seine wirklich spannende Präsentation zeigt zum Beispiel sehr gut, wie die Augen über die Cover-Seite einer Zeitung wandern: Vom Aufmacher-Bild zur Headline, weiter zum Kopf der Zeitung und von da zu weiteren Text- und Bildelementen.

Haller hat vier Einflussgrößen gefunden, um die Lesebereitschaft zu wecken :

1. Seitenbau: Dynamik und Hierarchie

2. Visualität: Bildsprache

3. Die Kunst der kleinen Texte

4. Textdesign: Eye-Cachter (Attraktoren)

Sehr interessant: Auch lange Texte werden gelesen, sofern sie verständlich und spannend geschrieben sind. Schwierige Satzkonstruktionen und unverständliche Wörter bringen die Leser aber selbst bei kurzen Texten sofort zum Aussteigen.

Haller schließt seine Präsenation mit sechs Key-Factors:

  1. Übersichtliche Seitenhierarchie
  2. Dreiklang erzeugen: Titel – Vorspann – Texteinstieg
  3. Klarheit und Transparenz der Formen
  4. Inhaltliche Beziehung zwischen Bild und Titel (schöne Fotos auf der Titelseite ohne Textanschluss werden von 41 Prozent der Leser schlicht ignoriert)
  5. Erzähltexte ausbauen (Storytelling)
  6. Auf jeder Seite Mix an Darstellungsformen (Bericht, Interview, Kommentar)

Der kurze Weg zum eigenen Buch

Nicht immer ist das Internet primär Konkurrenz zum Buch, mitunter wird dadurch der Weg zum Gedruckten einfacher und billiger. Einige Anbieter im Web haben sich darauf spezialisiert, günstig oder sogar kostenlos Bücher zu drucken oder auch E-Books zu veröffentlichten. Die Hürde, ein Buch herauszubringen, ist damit deutlich niedriger geworden.

  • Bei Books on Demand (BoD), ein Unternehmen des deutschen Buchgroßhändlers Libri, kommt man für 39 Euro zu einem Buch mit ISBN-Nummer, wenn man inkl. Layout & Lektorat alles selbst macht. Laut eigenen Angaben publiziert BoD bereits mehr als drei Prozent aller neu erscheinenden Buchtitel in Deutschland.
  • Ähnlich ist das Angebot von Lulu, das Unternehmen lässt in Deutschland Bücher bei BoD drucken, schreibt zumindest das Literaturcafé.
  • Und wer wissenschaftliche Arbeiten publizieren möchte, der wird beim GRIN Verlag fündig. Mehr dazu auch beim ViennaWriter’sBlog.
  • Ein weiterer Anbieter ist Tredition.

Klassische Verlage und Buchhandlungen sind von dieser Entwicklung wenig begeistert. Für die meisten Autoren zählt aber ohnehin schlicht die Ehre, ein Buch veröffentlicht zu haben – unabhängig vom Erfolg beim Leser. Denn während die Anzahl der neuen Bücher steigt, gehen die Leserzahlen sukzessive zurück, schreibt gerade die New York Times.
Das Verfassen eines Buches wird für einige schon zu einer standardisierten Tätigkeit, wie etwa für Philip M. Parker. Der Professor of Management Science bei der Business School Insead hat bereits mehr als 200.000 Bücher veröffentlicht, ist ebenfalls in der New York Times zu lesen.
Wie das geht? Eine eigene Computerfarm hilft ihm dabei, öffentlich zugängliche Informationen zu einem Thema zu finden und dann in einem Buch zu veröffentlichen. Bei Amazon stehen sie dann zum Verkauf bereit.

Media-Analyse & Co: Was in Österreich so gelesen wird

In den letzten Tagen sind wieder jede Menge Studien zum Leseverhalten in Österreich herausgekommen. Hier ein kleiner Überblick, speziell für jene, denen die Begriffe nicht geläufig sind:
– Die Media-Analyse (MA) erhebt die Reichweite von Kaufmedien. Und weil viele Zeitungen durch mehrere Hände wandern, ist die meist um einiges höher als die Auflage. Die gesamte Reichweite ging 2007 zurück – Gratismedien und Internet schmälern das Publikum der traditionellen Medien – und das tut weh. Vielleicht darf die Quasi-Gratiszeitung Österreich künftig doch mitmachen? Nähere Informationen bei www.media-analyse.at.
– Die österreichische Auflagenkontrolle (ÖAK) misst die Auflagen von Kauf- und Gratismedien. Aussagekräftig ist vor allem die „verbreitete Auflage“ und weniger die „Druckauflage“, da die meisten Medien automatisch weit mehr drucken als tatsächlich unter die Leute kommt. Nähere Informationen unter www.oeak.at.
– Alle zwei Jahre erscheint die Leseranalyse Entscheidungsträger (LAE), die Entscheidungsträger zu ihrem Leseverhalten befragt. Die Kronen Zeitung liegt mit ihrer Reichweite nicht nur insgesamt vorne, sondern auch bei den Entscheidern. Nähere Informationen beim Observer.

Die neuen Geschichtenerzähler: Blogger, narrative Journalisten, Storyteller

Wer im Journalismus etwas zu erzählen hat, pilgert im März zumindest in seinen Gedanken nach Boston: Dort versammelt die Nieman Conference on Narrative Journalism alljährlich die international führenden Erzähljournalisten.

Den Anstoß gab vor neun Jahren Mark Kramer mit der Konferenz „Aboard the Narrative Train“. Er hatte mit Büchern wie „Three Farms: Making Milk, Meat and Money from the American Soil“ (1980) einen anderen Zugang zum journalistischen Schreiben aufgezeigt. Die rein objektive Berichterstattung wurde um erzählerische Elemente ergänzt. Um die wirkliche Realität zu beschreiben, sollten die persönlichen Erfahrungen von Menschen in den Mittelpunkt gerückt werden.

Seit 2001 ist Mark Kramer nun Direktor des „Nieman Program on Narrative Journalism“, zur Konferenz pilgern mittlerweile mehr als 1.000 Teilnehmer an die Harvard University in Boston.

Ende März 2008 bei der letzten Nieman Conference on Narrative Journalism fand ein Referent ein besonders positives Echo: Josh Benton, Kolumnist bei den Dallas Morning News mit seinem Beitrag „Blogging for a Story: Telling tales in a format designed for the info-nugget“. In seinem Vortrag fand er viele Gemeinsamkeiten zwischen Blogging und narrativem Journalismus.

  • Beide vermitteln persönliche Beobachtungen und Emotionen, die im üblichen Nachrichtenjournalismus unter den Tisch fallen.
  • Beide fesseln durch ihre Lebendigkeit und Authentizität ihre Leser.
  • Bloggen hat für ihn aber einen entscheidenden Vorteil: Blogger publizieren dank der heutigen Technik quasi in Echtzeit, klassischer Erzähljournalismus braucht demgegenüber mehr Zeit und ist damit im Nachteil.

Ich möchte noch zwei Aspekte ergänzen:

  • Zunächst einen weiteren Unterschied: Während Erzähljournalismus ein Plädoyer der langen Texte abgibt, sind Blogs Botschafter kurzer und mitunter auch oberflächlicherer Texte.
  • Ein Problem teilen beide Formen: Die Qualität sachlicher Richtigkeit kann in beiden Formen zu kurz kommen. Social Facts lassen sich schwer nachprüfen und die eilige Blog-Schreibe führt nicht nur zu gehäuften Tippfehlern.

Interessant ist auch die Relation zum Storytelling – im Titel von Bentons Referat klingt sie bereits an. Storytelling ist eine Disziplin, die sich seit 2001 als neue Schule in der Unternehmensführung durchgesetzt hat. Und ziemlich rasch hat sie sich auch in der Politik als Methode etabliert. Christian Salmon zeigt das sehr anschaulich in einem Beitrag in der Monde Diplomatique.
Er zitiert darin den Drehbuchautor Robert McKee, der einen starken Grund für den Erfolg des Storytellings nennt: „Der Schlüssel zu den Herzen der Menschen ist die gute Geschichte.“ Daher erzählen heute viele Unternehmen die Geschichte des Unternehmens, um für Produkte zu werben. Denn ein Produkt lässt sich viel einfacher mit einer erzählten Erfolgsgeschichte verkaufen als mit der Beschreibung seiner Vorzüge.
> Mehr dazu
Coolepark.de zur Konferenz in Boston
Message-online.com zum Erzähljournalismus

Der 12. März 1938 in den Medien

Der 12. März 1938 war in den vergangenen Tagen in den Medien sehr präsent. Es war gut, dass der Anschluss Österrreichs an Hitler-Deutschland 70 Jahre danach so in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt wurde – und das oft sehr gut aufbereitet und in einen größeren Zusammenhang gestellt.
Auch der ORF widmete sich dem Thema ausführlich. Und woran denken die Programm-Macher des ORF, wenn sie ihren Bildungsauftrag ernstnehmen? Natürlich an einen Club 2. Also durften Mittwoch abend der Schriftsteller Michael Köhlmeier und einige Gäste ausführlich diskutierten. Es ist schön, dass im ORF wieder Platz für solch ein Format ist. Mir hat zum Beispiel gut gefallen, dass Köhlmeier der Zeitzeugin viel Zeit gelassen hat, ihre persönliche Geschichte zu erzählen. Sie war lang – viel zu lang für die stakkato-artigen Statements der derzeit gängigen Gesprächsrunden – aber sie hatte einen schlüssigen Spannungsbogen, der diesen Raum wirklich brauchte.
Zugleich man muss sagen: Sendungen wie der Club 2 verlangen den Zusehern viel Geduld ab. Viele switchen da schnell weiter. Auch ich dachte mir nach einer Weile: Das habe ich wirklich schon oft gehört. Und ich landete auf ZDF bei Kerner. Das passiert mir selten, weil ich seine Moderation nicht wirklich mag. Dieses Mal hatte er allerdings den amerikanischen Lehrer Ron Jones eingeladen, der in den 60er Jahren mit seinen Schülern das Experiment „Die Welle“ gemacht hat. Außerdem waren noch eingeladen: zwei seiner Schüler von damals, einige Jugendliche und der Schauspieler Jürgen Vogel, der in der aktuellen Verfilmung die Hauptrolle spielt.
Der Faschismus und wie er funktioniert, wurde da sehr anschaulich dargestellt. Etwa wie Ron Jones live auf der Bühne ein kleines Experiment startete. Da nahm wohl jeder die Botschaft mit: Die Empfänglichkeit für solche Prozesse ist jedem Menschen ein Stück weit in die Wiege gelegt. Und es gehört Wachsamkeit dazu, solche Entwicklungen rechtzeitig wahrzunehmen und Einhalt zu gebieten. Das war wohl die beste Lehre, die man an diesem Abend ziehen konnte.

Journalisten nutzen neben herkömmlichen PR-Material zunehmend Blogs & Co

Und noch eine Studie zum Recherche-Verhalten bei Medien. Die PR-Agentur Maisberger Whiteoaks befragt dazu jährlich deutsche Journalisten.
Im Vergleich zum Vorjahr wurden bei der Umfrage im November 2007 PR-Informationen insgesamt etwas häufiger genutzt. Mögliche Gründe sind die Qualität der Materialien und die immer knapper werdende Zeit, die für redaktionelle Arbeiten zur Verfügung steht.
Presseinformationen sind demnach weiterhin die beliebteste Quelle, sie werden von 84,8 Prozent der Befragten verwendet. Es folgen Anwenderberichte (38 Prozent), Kompetenzartikel (29,3 Prozent) und Interviewangebote (28,3 Prozent).
Deutlich zungenommen haben andere Informationsquellen: Bereits 12 Prozent der Redaktionen nutzen moderne Recherchequellen wie Blogs und RSS-Feeds. Dieser Anteil hat seit 2005 deutlich zugenommen.

Deutsche Journalisten schlagen bei Wikipedia nach

74 Prozent der deutschen Journalisten haben Wikipedia bereits zu Recherchezwecken verwendet. Das ergibt eine Studie des Marktforschers Smart Research im Auftrag von pressetext, für die 2.700 deutsche Journalisten zur Relevanz von Online-Tools befragt wurden.
Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), betont in diesem Zusammenhang: „Journalisten, die Wikipedia bei ihren Recherchen zu Rate ziehen, sollten zwei Dinge beachten: Erstens müssen sie sich vergewissern, woher die dort gefundenen Informationen ursprünglich stammen und zweitens sollten sie zu ihrer eigenen Rückversicherung noch mindestens eine weitere Quelle hinzuziehen.“
Mit Abstand wichtigstes Online-Recherche-Tool für Journalisten ist nach wie vor Google. 95 Prozent gaben bei der Befragung an, dass die Arbeit mit der Suchmaschine für sie „sehr wichtig“ oder „wichtig“ sei. Das Online-Archiv der eigenen Redaktion folgt mit 87 Prozent knapp vor den Webseiten von Unternehmen mit 86 Prozent.
Ähnliche Ergebnisse finden sich bei Umfragen aus den Jahren 2007 und 2006, letztere wurde unter österreichischen Journalisten durchgeführt.
Mehr dazu auch bei pressetext

Was Journalisten in Pressetexten freut und ärgert

Bei Journalisten mit den eigenen Botschaften noch anzukommen, wird immer schwieriger. Wer dann beim Texten noch grobe Schnitzer macht, hat inmitten der dichten Konkurrenz an Presseinformationen rasch verloren.
Pressetexte: To Do and Not To Do
– In der Headline die Aussage des Textes griffig auf den Punkt bringen. Am besten so, dass sie direkt übernommen werden kann.
– Das Wichtigste zuerst! Im ersten Absatz die sechs W-Fragen beantworten: Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Warum? Danach die Details erläutern.
– Keine Platitüden. Sätze allgemeiner Gültigkeit, zu denen jeder nur müde nickt, sind ein Garant für ein rasches „Exit“.
– Zitate beleben den Text. Mit einem begleitenden Porträtfoto ist die Presseinformation gleich gut illustriert.
– Den Text strukturieren: Zwischentitel und Absätze erleichtern die Orientierung.
– Die richtige Tonlage finden: Ein Pressetext ist weder eine spröde formulierte, amtliche Mitteilung noch ein Werbetext des Unternehmens. Mehr Tipps zum Schreiben in meiner Checkliste für benutzerfreundliche Texte.
– Auf Standard-Elemente nicht vergessen: aktuelles Datum, Bezeichnung als Presseinformation, Boilerplate mit kurzem Unternehmensporträt und Rückfragehinweis.
Mehr auch im Observer-Letter: Dr. Ingrid Krawarik, Redakteurin in der Finanz-Redaktion beim Nachrichtenmagazin Format, verrät im Interview, worauf man bei Pressetexten und bei der Kontaktaufnahme achten sollte.

Noch mehr neue Hochglanz-Magazine

Unternehmen gehen immer häufiger unter die Verleger. Ressourcenmäßig gut ausgestattet wetteifert so manches Corporate Publishing-Produkt mit den klassischen Magazinnen. Die Telekom Austria gibt schon seit einigen Jahren das Magazin .copy heraus, gewinnt damit regelmäßig Preise und poliert erfolgreich das eigene Image auf, gerade auch, weil der Konnex zum Unternehmen sehr im Hintergrund gehalten wird.
Jetzt mischt sich auch Red Bull unter die Verleger. Klingende Namen von Christian Seiler bis Robert Buchacher zücken für das Red Bulletin die Feder, bei dem der journalistische Kontext weit vordergründiger als Werbeplattform für das Produkt genutzt wird. Der Falter hat gezählt: Der Name Red Bull kommt auf den 100 Seiten der ersten Ausgabe 180 Mal vor. Diese unscharfe Trennung ist problematisch und ich frage mich, ob das Publikum das annimmt.
Ja, und noch ein Titel für die Top-Liga unter den Frauen-Magazinen: Nach 1st und Madonna geht diesen Herbst jetzt auch material girl an den Start. Erfinder sind plastic media, die Herausgeber von „Indie„, das bürgt für einen etwas anderen Zugang zum Thema.

Print-Medien im Internet-Zeitalter nach wie vor wichtig

Der Marktforscher TNS Emnid befragte Deutsche ab 14 Jahren zu ihrer Einstellung von Print- versus Online-Medien. 78 Prozent hielten dabei die gedruckte Tageszeitung auch in Zukunft für unverzichtbar. Gerade für Hintergrundinformationen und tiefergehende Analysen behalten die klassischen Printmedien ihre Bedeutung. Dieser Meinung
sind 81 Prozent der Bevölkerung.
Zugleich wird die digitale Medienwelt für aktuelle Informationen als sehr wichtig eingeschätzt. 61 Prozent der Deutschen glauben, dass hier elektronische Medien die klassischen Printmedien langfristig ablösen werden. 90 Prozent aller Deutschen sind der Meinung, dass der Umgang mit dem Internet in Schulen erlernt und ein Unterrichtsfach werden sollte.
Auch die Kehrseite des Informations-Überangebots wird deutlich: Drei Viertel der Deutschen sagen, dass die Informationsflut schon heute „erdrückend und nicht zu handhaben sei“.
Mehr zur Studie beim Marktforscher TNS Emnid.