Eine Zeitreise durch Deutschland

Dank der Vulkanwolke war ich letztens spontanerweise im Liegewagen quer durch Deutschland und bis nach Wien unterwegs. Statt 2 Stunden zu fliegen insgesamt 20 Stunden unterwegs zu sein, war nicht lustig, aber ich war froh, so doch in einem planbaren Zeitraum anzukommen.
Nur: Der direkte Vergleich zwischen Hin- und Rückreise war drastisch. Mit dem Zug reisen ist nicht nur um Einiges teurer als fliegen, sondern vor allem deutlich weniger komfortabel. Die Mitarbeiter der Deutschen Bahn waren alle ausnehmend hilfsbereit. Doch alle Freundlichkeit nützt nichts bei der gebotenen Qualität des Liegewagens und des Services: Ein Schaffner betreute mehrere Wägen, gastronomische Versorgung war praktisch nicht vorhanden und in den engen, ruckelnden Abteilen war nicht wirklich an einen erholsamen Schlaf zu denken.
Am nächsten Tag im ICE sah die Welt schon weit freundlicher aus. Mit diesem Format und auf diesen Distanzen hat die Bahn wohl auch weiterhin Zukunft, die Übernachtzüge werden es wohl nur dann haben, wenn sich beim Mitbewerber Flugzeug Dramatisches ändert. Darüber können selbst die illusionistischten Anzeigen nicht hinwegtäuschen. Denn just im Bord-Magazin des ICE fiel mir eine Anzeige für Reisen im Liegewagen in die Hände.

Die hübsche Dame inmitten ihrer persilweißen Pölsterchen mag überall aufgenommen worden sein, nur nicht in einem echten Liegewagen. „Augen zu und da“ dichtete dazu ein nichtsahnender Texter als Headline und setzte im Copy-Text noch eines drauf: „Unterwegs schlafen, morgens ausgeschlafen ankommen und den Urlaub ab dem ersten Tag genießen.“ Ja, liebe Kreative, texten kann man viel, aber wer will es auch glauben, 0der nach dem ersten Versuch nochmals wagen?
Die wahre Pointe kam allerdings ein paar Seiten weiter im selben Bord-Magazin: Ein Beitrag über 175 Jahre Eisenbahn in Deutschland zeigte nämlich mit einem Bild, wie es sich tatsächlich im Liegewagen reisen lässt. Allerdings war das Foto bereits im Jahr 1955 aufgenommen worden. 55 Jahre später ruckeln noch genau dieselben Liegewägen durch Deutschland und Österreich – inklusive ihren vergammelten Decken, wackeligen Leitern und altertümlichen Schaltern.

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