Die Medien in Zeiten der Finanzkrise: Deutsche Verlagshäuser zentralisieren Redaktionen

Die Unruhe in der Medienbranche wächst, die klassischen Verlage reagieren verstärkt durch die Finanzkrise zunehmend nervös auf die wachsende, oft selbst geschaffene Konkurrenz aus dem Internet. Innerhalb kürzester Zeit kündigten soeben drei große deutsche Medienunternehmen an, ihre Redaktionen zu zentralisieren: die WAZ-Gruppe für ihre Tageszeitungstitel, die Bauer Verlagsgruppe für drei Frauenzeitschriften und Gruner + Jahr für vier Wirtschaftstitel (unter Federführung durch die Financial Times Deutschland). Die Süddeutsche Zeitung reduziert außerdem die Zusatzprodukte deutlich.

Newsroom Financial Times (Quelle: Adam Tinworth)

Newsroom Financial Times (Foto: Adam Tinworth)

Medienwissenschaftler Horst Röper meint in der NDR-Sendung Zapp: Viele Verlage haben sich über frühere Jahrzehnte an „eine Verdiensthöhe gewohnt, die sie unter den neuen Umständen wohl so nicht mehr erreichen können.“ Ehrhardt F. Heinold vom Blog Publishing Business fragt sich, ob jetzt Sparmaßnahmen durchgeführt werden, die schon länger geplant waren und für die sich jetzt einfach der passende Anlass findet. Er kommt zu dem Schluss: „Werthaltige, eindeutig positionierte Medienmarken mit unverwechselbarem „Content“ werden sich in der Krise bewähren – der (nicht ganz kleine) Rest bekommt Probleme.“
Ein gutes Beispiel ist hier das deutsche Wirtschaftsmagazin brand eins. Doch etwas gegen den Trend verzeichnet es seit der Gründung vor zehn Jahren laufend Auflagensteigerungen – und das mit hohem Textanteil, langen Reportagen und einem aktuellen Heftpreis von 7,60 Euro. Ein Interview mit Chefredakteurin Gabriele Fischer war im österreichischen Horizont 49/08 zu lesen: „Vor zehn Jahren haben alle Zukunftspropheten gelacht: Wie will man in der neuen Wirtschaft mit Internet und immer schnelleren Übertragungswegen mit einem Monatsmagazin bestehen? Wir fanden schon damals, dass wir uns mit einem Tages- oder Wochenmedium deutlich unwohler fühlen – denn wo es um Tempo geht, sind elektronische Medien immer schneller. Wo es aber um Hintergrund und Orientierung geht, schadet ein wenig Nachdenkzeit nicht. Wir denken: Das wird sich so schnell nicht ändern. Und wenn doch, denken wir nach.“
Schwierigkeiten für tagesaktuelle Printmedien sieht langfristig eine aktuelle Studie der FH Mainz. Bis zum Jahr 2018 werden demnach Tageszeitungen 30 Prozent ihrer Leser verloren haben. Lothar Rolke, der gemeinsam mit Johanna Höhn die Studie durchgeführt hat, erläutert: „Da sich Medienverhalten in jungen Jahren herausbildet und relativ stabil bleibt, kann sichtbar gemacht werden, was sich verändert und – durch Vergleich der Altersgruppen – die Kraft der Veränderung gemessen werden.“
Die Studie zeigt: Um sich allgemein zu informieren, werden bereits heute Online-Angebote im Durchschnitt dreimal so häufig genutzt wie Fernsehen, Tages- und Publikumsmedien zusammen. Das Internet besticht einfach durch qualifizierte Informations-, Unterhaltungs- und Einkaufsmöglichkeiten an einem Ort.
> Mehr dazu:
Studie der FH Mainz bei PR-Portal
Medienhandbuch: Kommentar zu den Zentralredaktionen
Handelsblatt-Weblog: zur Zentralredaktion bei Gruner+Jahr
Serie „Gut oder gratis“ bei K2 – zu Gratis-Content online und offline, zu den Auswirkungen für Qualität sowie Informationsvielfalt und zu neuen Geschäftsmodellen für Medienunternehmen

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